PropTech in a Nutshell (Teil 2):
Die Geschichte von PropTech
Auch wenn die Bezeichnung „PropTech“ vermutlich erst um die Mitte der 2010er Jahre als eine Art Reaktion auf den Begriff „FinTech“ aufgekommen zu sein scheint, lassen sich die Ursprünge der Digitalisierung innerhalb der Immobilienbranche bereits zu Beginn des Internetzeitalters finden. Die Geschichte der PropTechs kann dabei in vier Phasen unterteilt werden.
4 Phasen von PropTechs
PropTech 1.0 (1982-2000)
Auch wenn der Begriff „PropTech“ vermutlich erst in den letzten Jahren als Schlagwort für die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft aufgekommen ist, können die Anfänge sicherlich auf die Einführung erster privater Rechner (sog. Personal Computer) in den 1980er Jahren zurück-geführt werden. So kamen zum damaligen Zeitpunkt Tabellenkalkulations- und Buchhaltungs-programme wie Microsoft Excel auf den Markt und Investitionsanalyse im Immobilienbereich konnten erstmals auf Grundlage größerer Informationsdatenbanken getroffen werden. In diese Zeit fiel auch die Gründung von Autodesk im Jahre 1982, das mit dem Programm „AutoCAD“ bis heute eines der erfolgreichsten Programme zur Erstellung von 2D- bzw. 3D-Konstruktionen lieferte. All diese Innovationen kamen dabei hauptsächlich etablierten Immobilienunternehmen zugute, die die Technologien nutzten, um ihre Effizienz zu steigern bzw. Kosten zu senken.
PropTech 2.0 (2000-2008)
Während die ersten PropTechs für die allermeisten Privatpersonen nahezu unsichtbar im Hinter-grund operierten, kamen zu Beginn der 2000er Jahre im Zuge der New Economy auch erstmals PropTechs auf den Markt, die ihr Angebot direkt an Endkonsumenten wie Immobilienkäufer oder Mietinteressenten richteten. Wurden Immobilieninserate zuvor noch analog in klassischen Printmedien veröffentlicht, verlagerte sich das Angebot nun zunehmend in die die digitale Welt. Federführend waren hierbei aber wiederum große, gut etablierte Immobilienagenturen, die das Platzen der Dotcom-Blase aufgrund ihrer traditionellen Geschäftsmodelle schadlos überstanden und nun damit begannen, den Wohnungsmarkt über Immobilienportale ins Internetzeitalter zu bringen. So wurde etwa im Jahre 2000 mit Rightmove eine der bekanntesten Immobilienplatt-formen des Vereinigten Königreichs als Joint Venture durch vier der größten britischen Immo-bilienmakler gegründet. Ein Vorreiter dieser Entwicklung war übrigens niemand geringerer als Österreich, wo mit Immobilien.net die erste unabhängige Immobilienplattform bereits 1994 ge-gründet wurde.
PropTech 3.0 (2008-2020)
Die Weltwirtschaftskrise von 2007/2008 wird heute vielfach als radikaler Einschnitt betrachtet, der insbesondere den Bankensektor maßgeblich beeinflusst hat. Getragen von einem massiven Vertrauensverlust in das bestehende Finanzsystem konnten sich nun erstmals im Windsog von Schlagworten wie Bitcoin, Blockchain und Robo Advisory neue Player am Markt etablieren, die fortan als FinTech bezeichnet wurden. Hinzu kam die Massenverbreitung von mobilem Internet und preiswerten Smartphones, wodurch nicht nur Technologien wie Onlinebanking salonfähig wurden, sondern auch Immobilienunternehmen vermehrt dazu übergingen, Daten und Dienste online abzubilden. So entstanden zu jener Zeit die ersten umfassenden Immobilienverwaltungs-programme und -datenbanken. Gleichzeitig entwickelten sich aber auch neue Geschäftsmodelle im Rahmen der Sharing Economy, so dass Unternehmen wie Airbnb und WeWork in der Immo-bilienbranche Fuß fassen konnten.
PropTech 4.0 (seit 2020)
Immobilien stellen nach wie vor die größte Anlageklasse weltweit dar. Trotz oder gerade wegen dieser Lukrativität ist die gesamte Branche aber immer noch mit Blick auf den technologischen Wandel von einer gewissen Lethargie und Überheblichkeit befangen, zumal die in den letzten Jahren kontinuierlich steigenden Immobilienpreise (zusammen mit dem bestehenden Niedrigzinsumfeld) nicht wirklich Druck auf die handelnden Akteure etablierter Marktteilnehmer hin-sichtlich dringend notwendiger Veränderungen ausüben konnten.
Erste Risse erhielt dieses Selbstverständnis einer unerschütterlichen und vor allem krisenfesten Branche jedoch während der COVID-19-Pandemie, die für die Immobilienwirtschaft wohl ein ähnlich radikaler Einschnitt gewesen sein dürfte, wie einst die Weltfinanzkrise für den Bankensektor. Soziale Distanzierung und Lockdowns führten schlussendlich auch dem letzten Technologieverweigerer schonungslos vor Augen, dass ein zukunftsfähiges Immobilienunternehmen heutzutage nicht mehr außerhalb der digitalen Welt operieren kann. Hinzu kommen relativ neue Technologien wie Big Data, Blockchain oder Künstlicher Intelligenz (KI), die kurz zuvor noch allein das Finanzwesen prägten und heute schon in der Immobilienwelt angekommen sind.
Entsprechend wurden in den letzten Jahren auch viele neue PropTechs gegründet, ein Umstand, der sicherlich auch dadurch begünstigt wurde, dass in Zeiten niedrigerer Zinsen nach lukrativen Investitionsmöglichkeiten gesucht wurde. So gab es nicht nur Höhenflüge an Technologiebörsen wie dem Nasdaq, sondern auch nahezu jährlich Rekorde bei der Risikokapitalfinanzierung von Startups. Eine galoppierende Inflation, Zinserhöhungen sowie die Angst vor einer weltweiten Rezession haben die Aktienmärkte in den letzten Monaten jedoch auf Talfahrt geschickt und somit auch Risikokapitalgeber erheblich verunsichert. PropTechs, die wie viele andere Startups auf Business Angel und/oder Venture Capital Fonds angewiesen sind, kämpfen ums Überleben und Neugründungen sind in diesem Marktumfeld nur schwer realisierbar.
In den folgenden Monaten und/oder Jahren ist daher wohl von einem gewissen Abflachen des PropTech-Booms zu rechnen. Stattdessen ist vielmehr von einer Konsolidierung am Markt aus-zugehen. Aufgrund fehlender Folgefinanzierungen müssen viele junge Unternehmen also früher als sonst versuchen, mit ihren Ideen profitabel zu werden. Entsprechend schnell werden einige dieser neuen Player auch wieder vom Markt verschwinden. Diejenigen, die diesen Sturm jedoch überleben, werden gestärkt daraus hervorgehen. So erinnern sich die Älteren unter uns vielleicht noch an die Dotcom-Blase im Jahr 2000, als zahlreiche Tech-Werte mit teilweise extrem hohen Börsenwerten (jedoch ohne entsprechende materielle Gegenwerte) plötzlich pleitegingen.
Das Vertrauen der Anleger in IT-Werte war daraufhin auf Jahre hinaus gestört und selbst viel-versprechende Unternehmen blieben lange Zeit unterbewertet. Nichtsdestotrotz steckte die New Economy in ihrer Gesamtheit diesen Einbruch zur Jahrtausendwende trotz zahlreicher Unken-rufe und Weltuntergangsvorhersagen weitgehend unbeschadet weg und brachte schlussendlich Unternehmen hervor, die heute nicht nur global agieren, sondern auch unser aller Alltag massiv beeinflussen. Das Learning für die PropTech-Szene lautet daher wie folgt: Jede Krise ist immer auch eine Chance. Es gilt hartnäckig zu bleiben und die eigene Vision trotz derzeit schwieriger Rahmenbedingungen weiterhin unbeirrt zu verfolgen, denn die Startups von heute könnten das Google, Facebook oder Amazon von Morgen werden.