Wie man die Bonität von Mietern und Geschäftskontakten prüfen kann.
Viele Wege führen nach Rom, jedoch noch mehr daran vorbei. Heutzutage gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Möglichkeiten, die Bonität eines Geschäftskontaktes zu überprüfen. Doch welche Anbieter gibt es eigentlich am Markt? Wie unterscheiden sich deren Geschäftskonzepte? Und gibt es überhaupt den einen allumfassenden Bonitätscheck?
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„Die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls lässt sich am besten abschätzen, wenn zuvor das Vermögen (lat. bona) der
Person erfasst wurde.“
KommR Oliver Brichard, MSc
Geschäftsführer / Gerichtssachverständiger
Bonitätscheck 1.0
Allein in Österreich gibt es rund 20 Auskunfteien, wobei zu den bekanntesten Anbietern sicherlich der KSV 1870 und die CRIF gehören. Diese Unternehmen arbeiten dabei im Wesentlichen noch genauso wie vor mehr als 100 Jahren, wobei sie Daten über die wirtschaftliche Betätigung, Kreditwürdigkeit sowie Zahlungsfähigkeit von Unternehmen und Privatpersonen erheben. Die gesammelten Informationen stammen dabei meist von öffentlich zugänglichen Quellen (z.B. aus Veröffentlichungen im Amtsblatt, Bilanzen, dem Melderegister, dem Grundbuch, dem Firmen-buch, der Insolvenzdatenbank oder dem Gewerberegister). Hinzu kommen noch Drittpartner wie Kreditinstitute, kreditgebende Versicherungen, Leasinggeber, Adressverlage, Direktmarketing- und Inkassoagenturen.
Gleiches gilt übrigens auch für bestimmte Anbieter aus der Waren- und Versicherungswirtschaft, die bei einem aufrechten Vertragsverhältnis mit einer Auskunftei ebenfalls Informationen hinsichtlich der Zahlungsmoral ihrer Kunden weiterleiten.
Aus all diesen Quellen errechnet die jeweilige Auskunftei schließlich einen Bonitätsscore, der die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalles oder einer Insolvenz in einem Prognosehorizont von 12 bis 24 Monaten darstellt. Diesen Wert gibt der Anbieter dann gegen Entgelt an Firmen (nicht an private Dritte) weiter, die sich wiederum ein Bild über die wirtschaftliche Lage ihrer Geschäftskontakte (vor allem bei Neukunden) machen wollen. Zu beachten ist jedoch, dass die Auskunfteien selbst keine Empfehlungen abgeben und gleichermaßen betonen, dass ihre Score Werte allein kein hinreichender Grund sind, einen Vertragsabschluss abzulehnen. Es bedarf also immer eines erfahrenen Unternehmers auf der Abfrageseite, der es aufgrund seiner Branchenexpertise versteht, die richtigen Schlüsse aus den übermittelten Daten zu ziehen.
Historische Betrachtung
Seit jeher haben Menschen das Bedürfnis die Vortrefflichkeit (lat. „bonitas“) ihrer Geschäftskontakte zu kennen. Während die alten Römer beispielsweise noch ihre Bürger dem Vermögen nach in Klassen einteilten, hatten die venezianischen Kaufleute des 15./16. Jahrhunderts bereits eigene schwarze Listen, auf denen unzuverlässige bzw. insolvente Kaufleute vermerkt wurden. Derartige Anschreibebücher waren bis weit in die Neuzeit hinein gängige Praxis, wobei sich das Prozedere des „Anschreiben lassen“ (z.B. auf Bierdeckeln) auch heute noch in vor allem ländlichen Gasthäusern finden lässt. Im Zuge der Industrialisierung kam es im 19. Jahrhundert aber immer häufiger dazu, dass sich Gewerbetreibende und Abnehmer aufgrund der immer größer werdenden Distanzen nicht mehr persönlich kannten. Es brauchte daher eine dritte Instanz, die dieses Informationsdilemma auflösen konnte. Folglich entstanden zu jener Zeit auch die ersten Handelsauskunfteien (z.B. 1841 Dun & Bradstreet in den USA, 1870 der Kreditschutzverband in Österreich oder 1879 die Auskunftei Creditreform in Deutschland), wobei sich diese Unternehmen in der einen oder anderen Form bis heute am Markt halten konnten.
Tipp
Sie wollen wissen, wie es um Ihre eigene Bonität steht bzw. welche Daten die unterschiedlichen Anbieter eigentlich über Sie sammeln. Beantragen Sie einmal pro Jahr völlig kostenlos eine Auskunft nach Art 15 DSGVO. Für weitere Informationen (samt Musterformular) folgen Sie einfach diesem Link zur KSV Website.
Das bekannteste Beispiel für einen derartigen Bonitätsscore stellt sicherlich der KSV 1870 Risk-Indicator dar. Je nachdem welche Pakete ausgewählt werden (im B2B-Bereich Basic, Compact, Standard oder Professional bzw. im B2C Bereich Financial, Business oder Consumer) setzt sich der Wert aus unterschiedlichen Variablen zusammen, wobei das Paket „Financial“ lediglich für Kreditinstitute, Leasingesellschaften und Betroffene abrufbar ist. Für die Vermietung an Private ist daher vor allem eine Kombination aus den Paketen „Business“ und „Consumer“ empfehlenswert.
Zwar bieten beide Pakete neben dem obligatorischen Risk-Indicator auch noch allgemeine Informationen zur geprüften Person (z.B. Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Adressen) sowie eine Überprüfung der Insolvenzdatenbank samt Auszug aus dem Grundbuch, jedoch liefert nur das Paket „Consumer“ Inkassomeldungen bzw. Negativinformationen von Dritten, während das Paket „Business“ zusätzlich noch die Wirtschaftsdatenbank (Daten zum Zahlungsverhalten, zur finanzielle Situation sowie zu handelsrechtlichen Funktionen und Beteiligungen) beinhaltet.
Alternativ bietet der KSV 1870 auch den sog. InfoPass für Mieter an. Dieser kann aber nur vom jeweiligen Mietinteressenten selbst (und nicht vom Vermieter) beantragt werden. Es bedarf also stets eines aktiven Tuns des Interessenten. Hinzu kommt, dass diese Selbstauskunft lediglich auf das DSGVO-konforme Vorhandensein einer Bonität hinweist, ohne jedoch weitere Daten (z.B. den RiskIndikator) zu liefern. Obwohl sich der InfoPass also letztlich derselben Datengrundlage wie die anderen Produkte bedient, liefert er lediglich ein Ergebnis. Eine Interpretation der unterschiedlichen Variablen bleibt dem Vermieter dagegen verwehrt. Mit dem InfoPass können sich Vermieter also vor ungeeigneten Mietern schützen. Ein Vergleich mehrerer Interessenten und somit auch die Auswahl des besten Kandidaten ist mit diesem Produkt jedoch nicht möglich.
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Bonitätscheck 2.0
Während sich das Geschäftsmodell klassischer Auskunfteien (mit Ausnahme der zunehmenden Digitalisierung) im Kern also kaum verändert hat, finden sich in den letzten Jahren vermehrt neue Player am Markt (FinTechs), die die traditionelle Bonitätsprüfung um neue Elemente erweitern. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war sicherlich die nationale Umsetzung der Zahlungs-diensterichtlinie II (kurz PSD 2) am 13. Jänner 2018, mit der wiederum der rechtliche Rahmen für die Weitergabe von Finanzdaten an Drittpartner geschaffen wurde (Open Banking). Besagte Drittdienstleister (TPPs) erhalten somit Zugriff auf ausgewählte Bankdaten der Kunden, wobei der gesamte Prozess über digitale Schnittstellen (APIs) völlig automatisiert abgewickelt wird. Rechtlich abgesichert werden derartige Dienste durch eine Vorabregistrierung als sog. Konto-informationsdienst (KID) bei der FMA. Zusätzlich zur behördlichen Genehmigung bedarf es bei jeder Abfrage aber auch stets der Zustimmung des jeweiligen Bankkunden, bevor die Anbieter nämlich tatsächlich Zugang zu den beim Kreditinstitut erfassten Finanzdaten erhalten.
Bei dieser neuen Form der Bonitätsprüfung gibt der Geschäftskontakt also vorab seinen Namen und seine E-Mail-Adresse bekannt. Anschließend erhält er einen Einladungslink zum Bonitäts-check, den er in weniger als einer Minute einfach per Handy, Tablet oder PC durchführen kann. Dafür braucht es im Wesentlichen nicht mehr als die Login Daten des eigenen Online Banking Accounts, die (vergleichbar mit einer EPS Sofortüberweisung) direkt in die entsprechende Ein-gabemaske eingetragen werden. Auf diese Weise bestätigt die Person, dass sie mit dem Zugriff des Drittanbieters einverstanden ist, welcher sodann auf Grundlage der abgefragten Bankkonto-informationen völlig automatisiert einen tagesaktuellen Prüfbericht erstellt. Zu betonen ist, dass die abfragenden Kunden dieser Dienste zwecks DSGVO-Konformität nie direkt Einsicht in ein zu prüfendes Konto erhalten, sondern der zugestellte Bericht lediglich kurz und knapp darüber informiert, ob die angeforderte Bonitätsprüfung bestanden wurde oder nicht.
Bestes Beispiel hierfür ist der Mietcheck von FinCredible. Normalerweise verlangen Vermieter nämlich derzeit eine Vielzahl an Dokumenten (insbesondere eine Ausweiskopie, die Lohnzettel der letzten drei Monate und/oder eine Selbstauskunft), die der Mietinteressent erst einmal müh-sam zusammensuchen und dann meist gesondert per Mail an die Hausverwaltung senden muss. Daraufhin müssen all diese Dokumente auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft werden, wobei die Praxis zeigt, dass eigentlich immer wichtige Unterlagen fehlen. Der gesamte Prozess der Wohnungssuche wird folglich nicht nur unnötig in die Länge gezogen, sondern für alle Be-teiligten auch deutlich teurer. Im schlimmsten Fall zeigt sich der Mietinteressent vom schlechten Kundenerlebnis sogar derart enttäuscht, dass er sich gegen die Wohnung entscheidet.
Verhindern soll dies der neue Mietcheck, bei dem alle wesentlichen Informationen mit wenigen Mausklicks in Form eines digitalen Prüfzertifikats zur Verfügung gestellt werden. Zu den über-mittelten Daten gehören neben dem Beschäftigungsstatus des Mietinteressenten auch der Name des aktuellen Arbeitgebers sowie Details zur Bankverbindung (vor allem interessant bei einem folgenden SEPA Lastschriftmandat für die Miete). Gleichzeitig wird aber auch die Identität des Interessenten überprüft, zumal der zuvor angegebene Name mit dem des Bankkonto-Zugriffs-berechtigten übereinstimmen muss. Herzstück des Bonitätschecks bleibt aber die Überprüfung der sog. Mietbelastungsquote. Diese gibt an, ob die geprüfte Miete einen gewissen Prozentsatz des Einkommens (in aller Regel wird 40% festgelegt) übersteigt. Ist dies der Fall, so wird von einer Vermietung gemeinhin abgeraten, da die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass sich der Interessent die Wohnung mit seinem derzeitigen Einkommen zumindest auf lange Sicht gesehen wohl nicht leisten wird können.
Fazit
Über die Jahrhunderte hinweg hat sich das grundlegende Prinzip hinter der Bonitätsprüfung im Wesentlichen nicht verändert. Noch immer gilt: Die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls lässt sich am besten abschätzen, wenn zuvor das Vermögen (lat. bona) der Person erfasst wurde. Dennoch ergeben sich bei einer Bonitätsprüfung damals wie heute dieselben Probleme. So gibt es kein universales Wertungssystem. Stattdessen führt jeder Anbieter eine individuelle Prüfung durch, wobei manche Kriterien stärker gewertet werden als andere. Bis zu einem gewissen Grad handelt es sich also um eine durchaus subjektive Angelegenheit. Hinzu kommt, dass nicht immer dieselbe Informationsgrundlage vorliegt. So kann unter Umständen der Bonitätscheck bei zwei Anbietern zu einem völlig anderen Ergebnis kommen, vor allem dann, wenn die entscheidende Variable von einem Partner stammt, der nur mit einer der beiden Auskunfteien kooperiert.
Im Ergebnis findet sich somit kein Anbieter am Markt, der eine allumfassende Bonitätsprüfung anbieten kann. Es gibt vielmehr unterschiedliche Dienstleister, die die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls mit verschiedenen Parametern zu bestimmen versuchen. Während klassische Auskunfteien wie der KSV1870 vor allem öffentlich zugängliche Informationen wie Insolvenz- und Inkassodatenbanken überprüfen, greifen neue Anbieter wie FinCredible auf die Bankdaten eines Geschäftskontaktes zu. Bis dato kombiniert jedoch kein einziger Bonitätscheck am Markt die Abfrage relevanter Datensysteme mit der Überprüfung digitaler Lohnzettel und bietet gleich-zeitig noch eine Interpretation bzw. ein Ergebnis auf Basis der gesammelten Daten an.
Wer bei der Bonitätsprüfung sicher gehen will, setzt nicht nur auf einen Anbieter, sondern kombiniert vielmehr diverse Konzepte und Modelle mit der Expertise seiner eigenen Hausverwaltung. Dennoch basiert jede dieser Information auf der Vergangenheit und deckt damit nur bedingt zukünftige finanzielle Situationen des Mieters ab. Eine Entscheidung über einen Mieter, sollte jedoch bei allen möglichen Risiken der Vermietung an sich, heute nicht mehr ohne einer professionellen Bonitätsprüfung getroffen werden.